Konzeption & Text. Sandra Cremer



Technische Entmündigung

25. November 2015

kalkUmzugsbedingt habe ich Bekanntschaft mit verschiedenen neuen Küchengeräten gemacht. Nach der ersten Freude kam die schreckliche Erkenntnis: Sie wollen mich alle entmündigen! Mein Kochfeld fängt an zu piepsen, wenn der Topf nicht exakt im vorgesehenen Kreis steht. Wenn ein paar Tropfen Nudelkochwasser darauf fallen, schaltet es sich gleich komplett aus und lässt sich nur äußerst widerwillig wieder anschalten. Einleuchtend: Schließlich bin ich ständig darauf erpicht, meine Wohnung abzufackeln und dies muss mit allen Mitteln verhindert werden.

Mein Backofen stellt sich eher im mechanischen Sinne quer: Blech und Rost lassen sich nur mit einer speziellen Wipptechnik herausziehen. Die Bedienungsanleitung verriet mir, dass dies der Vermeidung von Unfällen diene, die durch versehentlich vollständig herausgezogene Backbleche verursacht werden. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich kann mich nicht daran erinnern, vor dieser Erfindung mit Schwung Pizzas durch die Gegend geschleudert oder fettig blubbernde Aufläufe über meine Füße vergossen zu haben.

Kommen wir zu meinem Geschirrspüler: Auch dieser fängt an zu piepsen. Aber nur, wenn er fertig ist. Dafür aber umso penetranter. Und er hört nicht eher auf, als bis man hingeht und die Türe öffnet. Ich kann mich an Zeiten erinnern, wo ich ganz ohne akustische Unterstützung freiwillig meinen Geschirrspüler ausgeräumt habe. Nicht erst nach Tagen oder gar Wochen, sondern relativ zeitnah nach Beendigung des Programms.

Mein neuester und größter Feind ist meine Kaffeemaschine. Diese wartet gleich mit zwei technischen „Finessen“ auf: Erstens schaltet sie sich nach einer gewissen Zeit (max. 60 min.) selbständig ab. Will heißen, auch die Warmhalteplatte. Immer wieder ein Anlass zur Freude, wenn man vor dem zwar frischen, aber leider nur noch lauwarmen Kaffee steht. Aber auch hier geht die Gefahrenvermeidung vor: Lieber kalter Kaffee als brennende Wohnung. Die Bedienungsanleitung argumentiert hier allerdings mit dem geringeren Stromverbrauch und dem besseren Kaffeearoma. Wer’s glaubt …

Zweitens hat sie eine ganz großartige Leuchte, die mir sagt, wann ich sie zu entkalken habe. Diese leuchtete bereits nach 7 Tagen das erste Mal, was nicht meinem persönlichen Entkalkungsrhythmus entspricht. Es ist auch mitnichten so, dass die Maschine tatsächlich ihren Verkalkungsgrad messen könnte. Das Lichtlein leuchtet einfach in festen Intervallen auf. Nämlich immer genau nach 7 Tagen. Es geht auch erst aus, wenn man sie dann brav entkalkt, mit dem integrierten Entkalkungsprogramm. Inzwischen weiß ich aber, dass es reicht, klares Wasser durchlaufen zu lassen. Damit ist die Maschine völlig zufrieden. Das gibt mir wenigstens eine kleine Genugtuung.

Doch frage ich mich: Sind jetzt alle Geräte darauf ausgerichtet, „seniorensicher“ zu sein? Vielleicht kommt noch der Zeitpunkt, wo ich über diese Erfindungen froh bin. Wenn nicht ich, dann doch die Menschen, die ein ungutes Gefühl haben, mein gealtertes Ego mit gefährlichen Küchengeräten alleine zu lassen. Aber solange ich nicht so verkalkt bin wie meine Kaffeemaschine, würde ich ganz gerne selber entscheiden.