Elisabeth Setzer und ihre Nichte Maria Setzer erzählen von 40 Jahren SBZ und der Entwicklung der Pädagogik für Sehbehinderte und Blinde.
Warum ist Ihre Familie so eng mit sehbehinderten und blinden Menschen verbunden?
Elisabeth Setzer: Angefangen hat es mit meinem Großonkel Anton Schaidler, dem ehemaligen Direktor der Landesblindenschule in München, mit dem mein Vater engen Kontakt hatte. Mein Großonkel hat immer betont, wie wichtig es ist, dass blinde Menschen Zugang zu Bildung haben. Das hat meinen Vater dazu inspiriert, Blindenlehrer zu werden. Später wurde er Direktor an der Blindenschule in Augsburg. Unsere Familie wohnte in der Blindenanstalt und ich bin fast von Geburt an mit blinden Menschen aufgewachsen.
Sie haben die Entstehung des SBZ von Anfang an miterlebt. Wie war das damals hier in Unterschleißheim?
Elisabeth Setzer: Rundherum war freies Feld, es gab noch keine Häuser und auch keine S-Bahn-Station. Zuerst hatte ich den Eindruck, dass wir – wie so viele Behinderteneinrichtungen – bewusst weit außerhalb angesiedelt werden sollten. Aber der damalige Bürgermeister, Hans Bayer, beruhigte mich: „Das wird einmal der Mittelpunkt von Unterschleißheim sein!“
Maria Setzer: Heute kann man sich gar nicht mehr vorstellen, wie weit draußen das damals war. Aber nach und nach wurden rund um das SBZ immer mehr Wohnanlagen gebaut. Wir wurden also „inkludiert“. Tatsächlich war das SBZ als überregionale Einrichtung wichtig für die Stadterhebung – aber auch für das Stadtbild. Vor allem jetzt mit den beiden Türmen!
Elisabeth Setzer: Frau Tanner von der Blindenschule Nürnberg hat immer gesagt: „Oberschleißheim hat ein altes Schloss und Unterschleißheim hat ein neues Schloss!“ Margarete Tanner und ich waren Pionierinnen der Sehbehindertenpädagogik in Bayern. Früher wurden Sehbehinderungen oft nicht erkannt. Bei stärkerer Sehbehinderung besuchten sie oft die Blindenschule, manche die Lernbehindertenschule, da es keine andere spezielle Fördermöglichkeit gab. Ich habe 1956 als Lehrerin angefangen, 1964 als Blindenlehrerin. Zu dieser Zeit wurden Sehbehinderte noch wie Blinde unterrichtet und bekamen bestenfalls zusätzlichen Sehschwächenunterricht. 1968 fiel dann die Entscheidung, eine eigene Sehbehindertenschule zu gründen, was durch das neue Sonderschulgesetz ermöglicht wurde. Für Sehbehinderte gab es noch keine speziellen Materialien wie Bücher oder Lehrmittel. Es musste alles selbst erstellt werden. Sehbehindertenpädagogik war
damals etwas ganz Neues!
Maria Setzer: Blinde Schüler*innen brauchen eine ganz andere Pädagogik, Didaktik und Herangehensweise als sehbehinderte – allein schon vom Schriftsystem her. Das hat sich dann sehr divergent entwickelt: In München gab es die Landesschule für Blinde, auf die auch die blinden Schüler*innen von Augsburg wechselten. Für die Sehbehinderten wurde schließlich Unterschleißheim als Standort gefunden und dieser 1983 bezogen. Seit 2000 haben wir am SBZ wieder blinde Schüler*innen, weil die Landesschule für Blinde wegen starken Schülerrückgangs schließen musste. Deshalb wurden die beiden Schulen zusammengeführt.
(Textauszug Interview – Konzeption, Durchführung & Überarbeitung)