Ich bin von Haus aus neugierig und technikaffin. Deswegen habe ich mich schon sehr früh mit Künstlicher Intelligenz beschäftigt. Einfach um zu schauen, was sie alles kann. Anfangs hielt ich sie nur für eine nette Spielerei. Doch dann kam aus meinem Texterumfeld erstmals die These, dass die schlechte Auftragslage der KI geschuldet sei. Zu dieser Zeit hatte ich aber noch keinen Einbruch, weswegen ich die Bedenken einfach wegwischte.
Die KI wurde jedoch immer präsenter. Ich beschloss darum, mir ein besseres Bild davon zu machen, wie mit Künstlicher Intelligenz generierte Texte aussehen. Der erste Eindruck war ein Schock: Oh mein Gott, jetzt bin ich überflüssig! Als ich aber genauer hinsah, bemerkte ich viele Schwächen. Die Formulierungen waren noch reichlich holprig und der Text kein bisschen originell.
Trotzdem begann ich, mich intensiver mit der Materie auseinanderzusetzen. Schließlich musste ich argumentieren können, warum ich immer noch mein Geld wert bin. Beim Rumprobieren stellte ich fest, dass ChatGPT gar nicht so schlecht war für Texte, die nicht viel Kreativität und/oder Wissen erfordern. Also fing ich an, damit zu arbeiten. Allerdings nur zum Erstellen von Gerüsten. Das eigentliche Schreiben übernahm ich immer noch selbst.
Zu diesem Zeitpunkt verwehrten sich die meisten Texter noch komplett gegen ChatGPT & Co. Mir war aber schon lange klar, dass es sinnlos ist, gegen die Technologie anzukämpfen. Sie ist gekommen, um zu bleiben. Ob uns das gefällt oder nicht. Wer heute noch meint, er müsse sich damit gar nicht beschäftigen, wird über kurz oder lang untergehen.
Immer mehr Unternehmen integrieren die neue Technologie. Was zusammen mit einer schlechten wirtschaftlichen Lage eine brisante Mischung ergibt. Warum sollte man noch Textaufträge vergeben, wenn man doch alles selbst per Knopfdruck in Sekunden erledigen kann? Dass die Qualität bis heute nicht auf menschlichem Niveau ist, scheinen viele nicht zu merken – oder es stört sie nicht.
Das Internet wird geflutet von mittelmäßigen bis schlechten Texten. Auf einmal kann jeder „schreiben“ – speziell auf Social-Media-Plattformen wie LinkedIn. Ist doch egal, ob die Beiträge völlig belanglos und generisch sind, Hauptsache Masse. Die Leute recyceln eigene Beiträge oder klauen sie gleich komplett von jemand anderem. Die Künstliche Intelligenz übernimmt sogar das Kommentieren – genauso belanglos und generisch. Völlig absurd: KI-Beiträge, die von KI kommentiert werden. Menschliche Interaktion gleich Null.
Längst geht es nicht mehr nur um Texte, sondern auch um Grafiken, Fotos und Filme. Jeder Depp mit einem Internetzugang kann Content raushauen ohne Ende. Ob dabei Urheberrechte verletzt werden, interessiert keinen. Schnell, bunt und billig muss es sein. Was dabei herauskommt? Zum Beispiel Werbespots, die zum Gähnen langweilig sind und keine Aussage haben. Schon 3 Sekunden später hat man vergessen, welches Produkt eigentlich beworben wurde. Irgendein Bier, irgendein Auto oder war es doch etwas anderes?
Doch zurück zum Texten mit KI: Dass die Qualität viel besser geworden ist, sofern man vernünftig zu prompten versteht, wird keiner bestreiten. Ich spiele gerne Ping-Pong mit ihr: Sie bekommt von mir einen Text, sie macht mir Verbesserungsvorschläge. Dann überarbeite ich den Text noch einmal und das Spielchen geht von vorne los – bis ein richtig gutes Ergebnis dabei herauskommt.
Brauche ich dafür weniger Zeit, als wenn ich ohne Hilfsmittel gearbeitet hätte? Nein. Manchmal dauert es sogar deutlich länger. Doch zum Schluss habe ich einen Text, der genau auf den Punkt ist. Dass diese Leistung nicht weniger kosten kann als früher, versteht sich von selbst. Im Endeffekt bekommt der Kunde für das gleiche Geld etwas Besseres.
Was man aber tunlichst vermeiden sollte: sich auf KI-Recherche verlassen oder Texte 1 zu 1 übernehmen. Es ist vertrackt: Manchmal stellt man erst mit einem Tag Abstand fest, dass das Generierte zwar gut klingt, aber ein totaler Schwachsinn ist. Darum würde ich auch nie rohe Gedanken reinwerfen, um sie mir ausformulieren zu lassen. Das kann mächtig in die Hose gehen.
Auch wenn es um die Eigendarstellung geht, sollte man die Finger von der KI lassen. Sie killt jeden Aspekt der Persönlichkeit. Man erkennt sich im eigenen Text nicht mehr wieder. Seinen Stil sollte man unbedingt weiterpflegen. Ich habe sogar begonnen, wieder Tagebuch zu schreiben, damit ich das freie Schreiben nicht verlerne. Auch dieser Artikel stammt ausschließlich aus meiner Feder. Ebenso wie alle Beiträge auf LinkedIn et al.
Ich bin hin- und hergerissen. Sie kann eine tolle Unterstützung sein. Aber sie geht über Leichen und beraubt uns unserer Fähigkeiten. Die nächste Generation wird diese gar nicht erst erwerben. Das kann einem echt Angst machen. Nein, die KI wird nicht die Welt beherrschen oder ähnlichen Quatsch. Doch es wird immer mehr Menschen geben, die ihr blind vertrauen und ohne sie rein gar nichts mehr tun können.
Ich nutze die Tools, aber nicht so exzessiv, dass ich davon verblöde. DeepL Translate übersetzt für mich, DeepL Write korrigiert und schlägt mir Synonyme vor. ChatGPT ist mein Allrounder, der einfach alles kann, aber in manchen Bereichen von anderen getoppt wird. Claude ist mein Liebling, wenn es ums Schreiben geht. Antworten auf etwas komplexere Fragen liefert mir Perplexity. Die Liste wird vermutlich noch länger werden.
Viele freie Texter aus meinem Bekanntenkreis sind am Verzweifeln oder haben bereits aufgegeben: Sie sind Privatiers, haben einen Nebenjob oder eine Vollzeit-Festanstellung. Zum Glück vereine ich das Beste aus zwei Welten: einen Wissensvorsprung in Sachen KI und zugleich mein über Jahrzehnte erworbenes Können als „echte“ Texterin. Ich hoffe, dass diese Kombination mir auch weiterhin Aufträge beschert. Wir werden sehen …
Foto von Sian Labay auf Unsplash