Konzeption & Text. Sandra Cremer




Freunde für einen Abend

20. September 2015
Copyright: Maren / www.pixelio.de

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Wenn man wie ich im Münchner Raum wohnt, kann man sich ihr – zumindest gedanklich – nicht entziehen. Die Rede ist von der Wiesn. Als gebürtige Münchnerin sage ich selbstverständlich nicht Oktoberfest dazu.

Jedes Jahr (sofern ich mich nicht außerhalb der Grenzen des Freistaats aufhalte) gehe ich wieder in mich: Gebe ich mir heuer diesen Wahnsinn oder lasse ich es lieber bleiben? Bis jetzt tendiere ich eher gegen Nein. Aber heute ist ja erst der zweite Tag. Da kann man sich noch nicht so wirklich sicher sein.

Als Jugendlicher bzw. junger Erwachsener habe ich mir das nicht nehmen lassen. Ich kann mich an eine Wiesn erinnern, bei der ich an 13 Tagen vor Ort war. Dass ich an den restlichen Tagen gefehlt habe, lag nur daran, dass mein damaliger Freund „auch mal alleine hingehen wollte“. Das nehme ich ihm heute noch übel.

Inzwischen ist der Drang bei weitem nicht so stark und ich habe schon viele Wiesn komplett ausfallen lassen, obwohl ich in Reichweite war. Nicht, weil sie mir zu teuer geworden wäre, sondern weil man sich mental darauf einlassen muss. Man ist nicht immer in der Stimmung, sich zwischen Tausenden von bierseligen Menschen durchzuquetschen, von denen manche schon grün im Gesicht sind oder die Grünphase bereits hinter sich haben. Das Einzige, was hilft, ist auf schnellstmöglichem Weg das Augustinerzelt aufzusuchen und den Bierrückstand aufzuholen. Die erste Maß ist noch hart. Aber danach fühlt man sich besser.

Aber was ist denn nun das Besondere an der Wiesn? Biertrinken kann man ja überall und auch deutlich günstiger. Für mich ist es das Phänomen „Freunde für einen Abend“. Nirgendwo sonst kann man für wenige Stunden mit wildfremden Menschen zusammensitzen und Freundschaft schließen. Natürlich nur bis zum letzten Schluck. Dann trennen sich die Wege und vermutlich sieht man sich danach nie wieder. Aber macht ja nix. Schee wars trotzdem.