Plötzlich war es dunkel. Nicht nachtdunkel, sondern dunkeldunkel. Kein bisschen Licht war mehr zu sehen. Die Menschen in ihren Zellen waren irritiert. So etwas kannten sie nicht. Nur wenige hatten noch vage in Erinnerung, dass es vor Jahrzehnten so etwas gegeben hatte. Selbst erlebt hatten sie es zwar nicht, aber die Information war in ihre Gehirne eingespeist worden. Allein diese Handvoll ahnte, was geschehen war: ein Stromausfall.
Allerdings konnten sie das nicht in Worte fassen. Denn die gab es nicht mehr. Es war eher eine Art Gefühl – was ihnen aber auch fremd war. Gefühle existierten in ihrer Welt nicht mehr. Ebenso wie grundlegende Bedürfnisse. Keiner wusste mehr, was Durst oder Hunger war. Kälte oder Hitze. Der Drang, seine Blase oder seinen Darm zu entleeren. Lust auf Sex, Liebe, Geborgenheit – alles schon lange vergessen.
Es gab nichts, um das sie sich hätten kümmern müssen. Denn alles wurde befriedigt, bevor das Verlangen überhaupt aufkam. Sie bewegten sich nicht mehr. Ihre Körper wurden so stimuliert, dass die Muskeln erhalten blieben, obwohl sie sie nicht nutzten. Außerdem lebte jeder für sich. Das Bedürfnis nach menschlichem Austausch war ebenfalls verkümmert. Sie ahnten nicht einmal, dass es so etwas überhaupt gab.
Jetzt, allein in der Dunkelheit in ihren Zellen, fühlten sie auf einmal etwas. Ihre Herzen begannen schneller zu schlagen und es wurde ihnen heiß, obwohl sie zugleich zitterten. Ihre Mägen waren flau. Keiner konnte das einordnen: Es war Angst. Dieses Unwohlsein, das sie nie zuvor erlebt hatten, verstärkte sich immer mehr, und etwas in ihrer Brust zog sich unangenehm zusammen.
Die Angst wurde zu Panik – was sie noch weniger verstehen konnten. Irgendein tief vergrabener Instinkt sagte ihnen jedoch, dass sie ihre Zellen verlassen mussten. Sie tasteten an den Wänden entlang, bis sie einen kleinen Spalt fanden. Verzweifelt stemmten sie sich gegen die Zellentüren und tatsächlich öffneten sich diese, weil der elektrische Schließmechanismus nicht mehr funktionierte. Mühsam krabbelten sie heraus. Alles erschien besser, als in diesem Gefängnis zu bleiben.
Außerhalb der Zellen war ein wenig Licht. Als sie sich umsahen, entdeckten sie andere Gestalten, die sich ebenfalls aus ihren Zellen kämpften. Was das für Wesen waren, wussten sie aber nicht. Verwirrt blickten sie an sich herab und verglichen ihre sichtbaren Körperteile mit denen der anderen Kreaturen. Allmählich schwante ihnen, dass sie von derselben Art waren.
Schließlich begannen die ersten, den Lichtstrahlen zu folgen. Die übrigen taten es ihnen nach – dabei vermieden sie es tunlichst, einander zu berühren. Sie strömten alle ins Freie, wo sie erst einmal innehielten. Über ihnen war ein großes Blau mit einem grellen, gelben Ball. Die Worte „Himmel“ und „Sonne“ kannten sie nicht.
Als sie dort standen, merkten sie, dass wieder etwas mit ihrem Körper geschah. Diesmal war es ein angenehmes Gefühl: Wärme. Zum ersten Mal, seit sie ihre Zellen verlassen hatten, wurde das Herzklopfen langsamer und das Zittern ließ nach. Stattdessen kitzelte es sie lustig im Bauch. Es war kein Unwohlsein. Es war Lebensfreude.
Nach wenigen Minuten jedoch begann ihre Haut zu brennen. Sie erinnerten sich, dass dies in dem großen Gebäude anders gewesen war. Also kehrten sie einer nach dem anderen dorthin zurück. Hier verschwand zwar das Brennen, es bahnte sich jedoch etwas Neues an: Ihre Lippen wurden immer trockener, ihr Mund pelzig und ihre Zungen fingen an, am Gaumen zu kleben. Sie spürten, dass ihnen etwas fehlte, dass sie irgendetwas dringend brauchten – doch was es war, wussten sie nicht.
Sie konnten ihre Augen nicht mehr fokussieren. Ihre Köpfe begannen zu wabern – so hätten sie es wohl beschrieben, hätten sie kommunizieren können. Unruhig beobachteten sie die anderen, ob es ihnen ebenso erging. Kein einziger blieb davon verschont. Und es wurde immer schlimmer. Zudem gesellte sich noch eine weitere Qual hinzu: Ihre Mägen verkrampften sich schmerzhaft.
Verzweifelt suchten sie nach einem Weg, sich mit den anderen zu verständigen. Ein Ding der Unmöglichkeit. Keiner konnte sprechen, geschweige denn schreiben. Das Schreiben war schon lange vor dem Sprechen verschwunden. Vorsichtig begannen sie, sich gegenseitig anzustupsen, um irgendeine Reaktion hervorzurufen. Es wurde ihnen jedoch klar, dass die anderen sich in derselben misslichen Lage befanden: hilf- und wortlos.
Ihnen wurde immer elender. Irgendetwas musste geschehen. Endlich nahm einer allen Mut zusammen und machte den Anfang. Er deutete erst auf seinen Mund und dann auf seinen Bauch. Mit viel Anstrengung gelang es ihm, einen Laut herauszupressen. Es war erst ein leises, leicht gewürgtes, dann ein deutlich hörbares „Uaaah!“. Zuerst erschraken die anderen vor dem Geräusch. Dann stimmten sie alle ein: „Uaaah! Uahhhh! Uaaaaah!“ hallte es im ganzen Raum.
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Ich bin von Haus aus neugierig und technikaffin. Deswegen habe ich mich schon sehr früh mit Künstlicher Intelligenz beschäftigt. Einfach um zu schauen, was sie alles kann. Anfangs hielt ich sie nur für eine nette Spielerei. Doch dann kam aus meinem Texterumfeld erstmals die These, dass die schlechte Auftragslage der KI geschuldet sei. Zu dieser Zeit hatte ich aber noch keinen Einbruch, weswegen ich die Bedenken einfach wegwischte.
Die KI wurde jedoch immer präsenter. Ich beschloss darum, mir ein besseres Bild davon zu machen, wie mit Künstlicher Intelligenz generierte Texte aussehen. Der erste Eindruck war ein Schock: Oh mein Gott, jetzt bin ich überflüssig! Als ich aber genauer hinsah, bemerkte ich viele Schwächen. Die Formulierungen waren noch reichlich holprig und der Text kein bisschen originell.
Trotzdem begann ich, mich intensiver mit der Materie auseinanderzusetzen. Schließlich musste ich argumentieren können, warum ich immer noch mein Geld wert bin. Beim Rumprobieren stellte ich fest, dass ChatGPT gar nicht so schlecht war für Texte, die nicht viel Kreativität und/oder Wissen erfordern. Also fing ich an, damit zu arbeiten. Allerdings nur zum Erstellen von Gerüsten. Das eigentliche Schreiben übernahm ich immer noch selbst.
Zu diesem Zeitpunkt verwehrten sich die meisten Texter noch komplett gegen ChatGPT & Co. Mir war aber schon lange klar, dass es sinnlos ist, gegen die Technologie anzukämpfen. Sie ist gekommen, um zu bleiben. Ob uns das gefällt oder nicht. Wer heute noch meint, er müsse sich damit gar nicht beschäftigen, wird über kurz oder lang untergehen.
Immer mehr Unternehmen integrieren die neue Technologie. Was zusammen mit einer schlechten wirtschaftlichen Lage eine brisante Mischung ergibt. Warum sollte man noch Textaufträge vergeben, wenn man doch alles selbst per Knopfdruck in Sekunden erledigen kann? Dass die Qualität bis heute nicht auf menschlichem Niveau ist, scheinen viele nicht zu merken – oder es stört sie nicht.
Das Internet wird geflutet von mittelmäßigen bis schlechten Texten. Auf einmal kann jeder „schreiben“ – speziell auf Social-Media-Plattformen wie LinkedIn. Ist doch egal, ob die Beiträge völlig belanglos und generisch sind, Hauptsache Masse. Die Leute recyceln eigene Beiträge oder klauen sie gleich komplett von jemand anderem. Die Künstliche Intelligenz übernimmt sogar das Kommentieren – genauso belanglos und generisch. Völlig absurd: KI-Beiträge, die von KI kommentiert werden. Menschliche Interaktion gleich Null.
Längst geht es nicht mehr nur um Texte, sondern auch um Grafiken, Fotos und Filme. Jeder Depp mit einem Internetzugang kann Content raushauen ohne Ende. Ob dabei Urheberrechte verletzt werden, interessiert keinen. Schnell, bunt und billig muss es sein. Was dabei herauskommt? Zum Beispiel Werbespots, die zum Gähnen langweilig sind und keine Aussage haben. Schon 3 Sekunden später hat man vergessen, welches Produkt eigentlich beworben wurde. Irgendein Bier, irgendein Auto oder war es doch etwas anderes?
Doch zurück zum Texten mit KI: Dass die Qualität viel besser geworden ist, sofern man vernünftig zu prompten versteht, wird keiner bestreiten. Ich spiele gerne Ping-Pong mit ihr: Sie bekommt von mir einen Text, sie macht mir Verbesserungsvorschläge. Dann überarbeite ich den Text noch einmal und das Spielchen geht von vorne los – bis ein richtig gutes Ergebnis dabei herauskommt.
Brauche ich dafür weniger Zeit, als wenn ich ohne Hilfsmittel gearbeitet hätte? Nein. Manchmal dauert es sogar deutlich länger. Doch zum Schluss habe ich einen Text, der genau auf den Punkt ist. Dass diese Leistung nicht weniger kosten kann als früher, versteht sich von selbst. Im Endeffekt bekommt der Kunde für das gleiche Geld etwas Besseres.
Was man aber tunlichst vermeiden sollte: sich auf KI-Recherche verlassen oder Texte 1 zu 1 übernehmen. Es ist vertrackt: Manchmal stellt man erst mit einem Tag Abstand fest, dass das Generierte zwar gut klingt, aber ein totaler Schwachsinn ist. Darum würde ich auch nie rohe Gedanken reinwerfen, um sie mir ausformulieren zu lassen. Das kann mächtig in die Hose gehen.
Auch wenn es um die Eigendarstellung geht, sollte man die Finger von der KI lassen. Sie killt jeden Aspekt der Persönlichkeit. Man erkennt sich im eigenen Text nicht mehr wieder. Seinen Stil sollte man unbedingt weiterpflegen. Ich habe sogar begonnen, wieder Tagebuch zu schreiben, damit ich das freie Schreiben nicht verlerne. Auch dieser Artikel stammt ausschließlich aus meiner Feder. Ebenso wie alle Beiträge auf LinkedIn et al.
Ich bin hin- und hergerissen. Sie kann eine tolle Unterstützung sein. Aber sie geht über Leichen und beraubt uns unserer Fähigkeiten. Die nächste Generation wird diese gar nicht erst erwerben. Das kann einem echt Angst machen. Nein, die KI wird nicht die Welt beherrschen oder ähnlichen Quatsch. Doch es wird immer mehr Menschen geben, die ihr blind vertrauen und ohne sie rein gar nichts mehr tun können.
Ich nutze die Tools, aber nicht so exzessiv, dass ich davon verblöde. DeepL Translate übersetzt für mich, DeepL Write korrigiert und schlägt mir Synonyme vor. ChatGPT ist mein Allrounder, der einfach alles kann, aber in manchen Bereichen von anderen getoppt wird. Claude ist mein Liebling, wenn es ums Schreiben geht. Antworten auf etwas komplexere Fragen liefert mir Perplexity. Die Liste wird vermutlich noch länger werden.
Viele freie Texter aus meinem Bekanntenkreis sind am Verzweifeln oder haben bereits aufgegeben: Sie sind Privatiers, haben einen Nebenjob oder eine Vollzeit-Festanstellung. Zum Glück vereine ich das Beste aus zwei Welten: einen Wissensvorsprung in Sachen KI und zugleich mein über Jahrzehnte erworbenes Können als „echte“ Texterin. Ich hoffe, dass diese Kombination mir auch weiterhin Aufträge beschert. Wir werden sehen …
Foto von Sian Labay auf Unsplash
Heute bekommst du, mein lieber Blog, mal wieder einen eigenen Beitrag. Vielleicht liest dich kein Mensch, aber das ist mir egal. Du bist der Ort, an dem ich wirklich so schreiben kann, wie ich denke.
Naja, vielleicht nicht ganz. Aber weil ich mich damals gegen eine Kommentarfunktion entschieden habe, kann hier niemand schreiben, dass er dich scheiße findet. Komplimente bekommst du zwar auch keine – doch hast du das wirklich nötig? Wir haben doch uns beide und wir wissen, was wir aneinander haben.
Es tut mir leid, dass ich dich so furchtbar vernachlässigt habe. Wo doch die Social-Media-Welt so unglaublich kurzlebig ist. Heute gepostet, morgen vergessen. Bei dir ist das ganz anders. Du bist hier für die Ewigkeit!
Und weißt du was? Sollte ich es irgendwann einmal schaffen, eine neue Website auf die Beine zu stellen, werde ich dich mitnehmen. Ich befülle dich jetzt schon seit über einem Jahrzehnt. Du bist voller Schätze, die nicht verlorengehen dürfen.
Das ein oder andere Thema mag nicht mehr aktuell sein. Ich habe sogar in manchen Dingen meine Meinung geändert. Aber das ist ja nichts Schlimmes. Man darf ruhig wissen, dass ich in der Lage bin umzudenken. Aus der damaligen Sicht bin ich 100 Prozent dahinter gestanden. Heute stehe ich genauso überzeugt zu einer anderen Meinung.
Mag sein, dass die zehn Jahre alten Beiträge sprachlich nicht so geschliffen sind wie die heutigen. Doch das zeugt ja nur davon, dass ich mich weiterentwickle. Dass wir beide uns weiterentwickeln. Denn ohne dich, mein lieber Blog, wären meine Artikel ja gar nicht existent.
Ich bin der Ansicht, dass man sich nichts vornehmen sollte. Also zumindest nicht dauerhaft. Aber ich fände es großartig, wenn wir wieder mehr Zeit miteinander verbringen würden, du und ich. Wir haben so viele schöne gemeinsame Erinnerungen, die uns keiner nehmen kann. Außer vielleicht unser Hosting Provider.
Du darfst dich ruhig mal wieder bei mir melden. Mach mir ein schlechtes Gewissen, damit ich dich wieder so gut pflege wie früher.
Ich hab dich sehr lieb!
Deine Sandra
PS: Für das Bild danke ich Aung Soe Min auf Unsplash