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Schon vor Jahrzehnten hat man sie verflucht und heute ist sie noch unbeliebter: die Warteschleife. Waren die Methoden in den Anfängen eher plump, so werden sie immer perfider. Mit einer Fülle von Pseudo-Informationen wird die Ausdauer des Anrufers auf die Probe gestellt. Zum Beispiel mit der penetrant wiederholten Ansage, dass man auch auf der Website nach Antworten suchen bzw. sich mit dem Chatbot unterhalten könne (Haha, der war gut!) oder „Wussten Sie schon, dass …“ (Nein, interessiert mich auch nicht!) oder ähnliches Blafasel. So lässt sich schon locker eine Minute füllen, bevor man überhaupt weiß, an welcher Position man sich befindet bzw. wie lange es noch dauert, bis man dran kommt.
Bei der Auskunft „Ihre Wartezeit beträgt voraussichtlich über zehn Minuten“ geben die meisten bereits auf. Man kann aber auch pokern. Es könnte sich ja um eine weitere Hürde handeln, mit der weniger motivierte Anrufer ausgesiebt werden sollen. Aber der Einsatz ist dann doch zu hoch. Schließlich besteht die realistische Gefahr, dass man nach einer halben Stunde mit einem fröhlichen „Versuchen Sie es zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal“ aus der Leitung geworfen wird.
Eine alte und bewährte Hinhaltetaktik ist es, den Anrufer zur Interaktion zu nötigen. Zum Beispiel: Wenn Sie Anliegen X haben, dann drücken Sie die Ziffer Y (bevorzugt mit vielen Untermenüs). Problem ist nur, dass sich die individuelle Anfrage oft nicht den genannten Kategorien zuordnen lässt. Damit hat man schon verloren, weil man sich nun per Trial and Error in mehreren Anrufen zum richtigen Ansprechpartner vortelefonieren muss. Gemein ist auch, wenn die Angabe einer Auftrags-, Bestell-, Kunden- oder sonstigen Nummer gewünscht wird (die natürlich aus mindestens 10 Ziffern besteht).
Allerdings hat man beim Tippen wenigstens gute Erfolgschancen. Bei der Spracheingabe ist die Fehlerquote nämlich um einiges höher. Jeder dürfte schon einmal verzweifelt „JAAA!“ oder „NEIIIIN!“ gebrüllt haben, wenn er zum x-ten Mal wegen „Leider habe ich Sie nicht verstanden“ in der Leitung festhängt. Wird man aber darum gebeten, ein Stichwort zu nennen, sollte man sein Vorhaben lieber direkt ad acta legen …
Der reinste Psychoterror hingegen ist die zermürbende Warteschleifenmusik. Die langsam aussterbende Old-School-Version ist elektronisches Klingelton-Gedudel (sehr beliebt: Für Elise). Manchmal wird man auch mit einer Melodie empfangen, die so deprimierend ist, dass man sich am liebsten sofort aus dem Fenster stürzen möchte. Dann gibt es die Variante „peppig“ mit einem etwas angestaubten Hit oder einem eigens für das Unternehmen komponierten Song. Hat man gezwungenermaßen öfters Kontakt, summt man (sehr zum eigenen Entsetzen) in der telefonfreien Zeit das Liedchen vor sich hin. Was aber ganz sicher nicht dabei ist, ist eine Version, bei der man sich denkt: Hey, das gefällt mir! Könnte ich mir stundenlang anhören!
Hat man den richtigen Ansprechpartner schließlich erreicht und wurde das Anliegen vielleicht nicht gelöst, aber doch wenigstens ausführlich besprochen, geht es noch weiter. Schließlich reicht es nicht, dass man „aus Gründen der Servicequalität“ zuvor einer Aufzeichnung des Gesprächs zugestimmt hat (≙ 1 oder JAAAA!). Man wird außerdem gebeten, die vorangegangene Konversation zu bewerten. Wer dazu noch in der Leitung bleibt, hat wirklich Nerven wie Drahtseile.
Früher gab’s das nur bei Ikea. Inzwischen (leider) immer öfter: Ich werde als Kunde geduzt. Muss das sein? Prinzipiell bin ich ein Freund des Dus. Gerne biete ich es an oder nehme es an, wenn ein direkter Kontakt zur jeweiligen Person besteht und mir diese sympathisch ist – sowohl im privaten als auch im beruflichen Kontext. Von einem Unternehmen erwarte ich mir aber respektvolle Distanz.
Wenn ich ein Produkt kaufe oder eine Dienstleistung in Anspruch nehme, investiere ich Geld und schenke Vertrauen. Ich möchte, dass dies auch honoriert wird: mit einem wertschätzenden Umgang. Wenn ich als Kunde ungefragt geduzt werde, erzeugt das eine Pseudo-Nähe, die ich als übergriffig empfinde. Dieses Gefühl beeinflusst mein Bild des Unternehmens: Es bekommt einen billigen Touch und ich fühle mich nicht ernst genommen.
Um noch einmal mein Beispiel aufzugreifen: Bei Ikea ist das nicht so schlimm (wenn auch nervig, vor allem am Telefon), weil es zum Image passt. Bei einem Finanzdienstleister ist es unangemessen. Ebenso bei einem Unternehmen, das ein hochpreisiges Angebot hat. Der Versuch, sich mit einem Du einen jüngeren Anstrich zu geben, ist meist krampfhaft und manchmal sogar zum Fremdschämen. So hat unter anderem XING wegen des Wechsels von Sie auf Du Minuspunkte kassiert – zumindest von mir.
Entscheidet sich ein Unternehmen dennoch für ein Du, sollte es diese Kundenansprache durchgängig verwenden. Mischt es Du und Sie, ist das Corporate Wording widersprüchlich und somit auch die Corporate Identity. Selbst eine unterschiedliche Ansprache nach Alter sehe ich kritisch. Gibt es Kunden erster und zweiter Klasse? Wie alt muss man sein, um sich ein Sie zu verdienen? Was tun, wenn die Zielgruppe sich in einer Übergangsphase vom Jugendlichen zum jungen Erwachsenen befindet? Ebenso fraglich ist die Unterscheidung nach Medium: Wenn ich Kunden in der Kommunikation grundsätzlich sieze, sollte ich sie in den sozialen Medien nicht auf einmal duzen. Das wirkt befremdlich.
Vielleicht gehöre ich mit meiner ablehnenden Haltung zu einer aussterbenden Spezies. Der Trend, sich immer mehr dem angelsächsischen Sprachraum anzupassen, ist unaufhaltsam. Aber auch im Englischen wird in der Ansprache unterschieden. Es gibt zwar kein Sie, doch die respektvolle Distanz wird durch höfliche Ausdrucksformen geschaffen. Das müssen wir Deutschen vielleicht erst noch lernen. Ich für meinen Teil hoffe, dass das Sie nicht komplett verschwindet.
Das Tolle am Texterdasein ist, dass wir oft unserer Zeit voraus sind: Wir beschreiben Produkte, die es noch nicht zu kaufen gibt. Wir bewerben Dienstleistungen, die erst Monate später angeboten werden. Wir wissen von Events, die erst in ferner Zukunft stattfinden. Wir kreieren Claims und verfassen Image-Texte für Unternehmen, die erst im Entstehen sind, oder taufen sie sogar. Kurz: Wir sind die Hüter unzähliger Geheimnisse – kleiner wie großer. Eine ebenso spannende wie verantwortungsvolle Aufgabe.
Manchmal arbeiten wir sogar im Geheimen, wenn alles schon längst bekannt ist. Das ist zwar immer noch verantwortungsvoll, aber etwas befremdlich. Es scheint fast so, als ob manche Unternehmen sich schämen, dass sie ihre Texte nicht selber schreiben. Aber liebe Leute, das ist doch nicht peinlich! Es ist vernünftig, wenn man jemand anderen beauftragt, der diesen Job besser machen kann. Baut ihr eure Autos etwa selbst zusammen? Vermutlich nicht. Weil es sehr lange dauern würde und das Ergebnis unbefriedigend wäre (Parallelen dürfen gerne gezogen werden …).
Manchmal sind es die Agenturen, die sich nicht in die Karten schauen lassen wollen. Auch euch will ich sagen: Es ist keine Schande, Freelancer zu beauftragen. Im Gegenteil: Es zeigt, dass ihr versteht zu haushalten. Ihr habt mehr Aufträge, als eure Festangestellten stemmen können, aber nicht genug, als dass sich die Einstellung eines weiteren Texters (Grafikers, Beraters, etc.) lohnen würde. Ihr saugt also weder eure Mitarbeiter bis auf den letzten Tropfen aus, noch bezahlt ihr sie fürs Däumchendrehen. Alles richtig gemacht!
Die Einsparung bei den Fixkosten gebt ihr an eure Kunden weiter. Alle wissen, woran sie sind, und fühlen sich wohl dabei – und wir Freelancer müssen unsere schönen Referenzen nicht mehr in der Schublade verstecken!
Eine negative Erfahrung kann auch 22 Jahre später noch positive Auswirkungen haben. Denn so lange ist es her, dass ich in einer bestimmten Agentur als CD Text gearbeitet habe. Ihr braucht nicht in meiner Vita nachzusehen – sie taucht dort nicht auf. Ich habe noch in der Probezeit gekündigt, weil die Arbeitsbedingungen unerträglich waren. Was aber alleine am Inhaber lag und nicht an meinen Kollegen. Womit wir zu den positiven Auswirkungen kommen: Ich arbeite heute noch mit mehreren von ihnen zusammen – und zwar mit großer Freude! Leider darf ich hier keine Namen nennen, weil sich sonst Rückschlüsse auf die Agentur ziehen lassen. Aber ihr Lieben wisst schon, dass ihr gemeint seid, oder? Außerdem hat mir dieser Fehltritt den letzten Schubs gegeben, um mich selbständig zu machen. Und das war definitiv eine gute Entscheidung!
Jeden Tag werde ich in den Nachrichten mit Horrorszenarien beballert. Alles geht angeblich so dermaßen den Bach runter, dass man sich wundert, dass man in der Früh noch aufwacht. Ja, es passieren aktuell viele schreckliche Dinge, die einem Angst machen können. Über diese darf und muss man sogar berichten. Was aber nicht sein muss, ist ständig den Teufel in den schrillsten Farben an die Wand zu malen. Will der Großteil der Menschen so etwas lesen? Möchten sie alle Worst-Case-Szenarien durchspielen, damit sie nachher sagen können: Puh, soooo schrecklich war es ja doch nicht?
Ich für meinen Teil habe das gründlich satt. Die Artikel, die ganz offensichtlich nur der Panikmache dienen, klicke ich gar nicht erst an und blende die Überschriften mental aus (Die Erfahrung zeigt, dass die reißerischen Teaser meist das Schlimmste am Artikel sind). Wenn etwas passiert, dann passiert es, auch ohne dass ich mir vorher (vielleicht völlig unnötig) einen Kopf darüber gemacht habe. In meinen Augen ist das gesunder Optimismus.
Je weniger Nachrichten ich lese, desto besser geht es mir. Dies schreibe ich, nachdem ich mich doch dazu habe hinreißen lassen und jetzt einen Knoten im Magen habe. Vor Wut. Also, liebe Leute: Ihr müsst euch nicht stündlich über das aktuelle Geschehen informieren. Einmal am Tag reicht, um sich einen Überblick zu verschaffen. Maus (oder Finger) weg von Artikeln, denen man schon auf den ersten Blick ansieht, dass sie Panik-Clickbait sind. Wenn die Welt untergeht, dann merkt ihr das schon rechtzeitig und bis dahin genießt euer Leben!
Ihr seid immer noch ganz schön viele. Von daher könnt ihr nicht alle Exzentriker oder Extremisten sein. Sondern zu großen Teilen ganz „normale“ Menschen, mit denen man ganz normal reden kann. Was zugegebenermaßen schwerfällt, weil wir Geimpften langsam etwas ungeduldig werden. Wir haben so darauf gehofft, dass diese Pandemie jetzt endlich vorbei ist. Doch wir stecken immer noch mittendrin. Das ist nicht alleine eure Schuld. Die Politik hat auf vielen Ebenen versagt. Aber wir hätten bessere Chancen gehabt, wenn ihr euch hättet impfen lassen.
Ihr werft uns gerne vor, dass wir bei unserer Impfung in erster Linie an uns selbst gedacht haben. Weil wir nicht krank werden oder uns einschränken wollten. Das ist richtig. Aber in erster Linie bedeutet eben nicht nur. Wir haben auch an unsere Partner und Kinder gedacht, die wir nicht anstecken wollen. Und an unsere Eltern, die aufgrund ihres Alters besonders gefährdet sind. Wir haben an Freunde und Bekannte gedacht, die vielleicht nicht so widerstandsfähig sind wie wir selbst. Wenn wir krank werden, gefährden wir alle Menschen, die uns lieb und wichtig sind.
Unsere Impfung kann dieses Risiko nicht eliminieren. Aber sie kann es deutlich reduzieren. Wenn wir diese Möglichkeit haben, dann sollten wir sie nutzen. Je weniger sich infizieren, desto weniger werden krank oder sterben. Hinter der Zahl, die wir jeden Tag in den Nachrichten hören oder lesen, stecken Menschen, denen ihre restliche Lebenszeit genommen wurde. Menschen, die von vielen geliebt wurden und jetzt schmerzlich vermisst werden.
Ihr könnt euch nicht darauf verlassen, dass es euch schon nicht treffen wird. Das haben vermutlich die meisten gedacht, die es dann doch erwischt hat. Und selbst, wenn eure Infektion glimpflich ausgeht, setzt ihr andere bewusst einer Gefahr aus. In der jetzigen Situation auf seine eigene Entscheidungsfreiheit zu pochen, ist also streng genommen eine unterlassene Hilfeleistung.
Aber darauf will ich nicht zu sehr herumreiten. Denn ihr bekommt gerade an allen Ecken und Enden zu spüren, dass der Großteil der Menschen nicht so gut auf euch zu sprechen ist. Wird man zu sehr bedrängt, entwickelt man irgendwann eine Trotzreaktion, aus der man nur schwer wieder rauskommt. Ich kenne das auch von mir selbst. Da hilft es manchmal, einfach einen Moment innezuhalten und sich zu überlegen, warum man etwas kategorisch ablehnt. Oft wird man feststellen, dass es die falschen Gründe sind. Doch je mehr man sich verrannt hat, desto schwieriger wird es, über seinen Schatten zu springen.
Es ist kein Zeichen von Schwäche, wenn ihr jetzt eure Meinung ändert und euch doch noch impfen lasst. Ganz im Gegenteil: Es ist ein Zeichen von Stärke.
Eure Sandra
PS an die bereits doppelt Geimpften: Boostern nicht vergessen!
Letztes Jahr habe ich mich aus Neugier mehr mit LinkedIn beschäftigt. Zunächst war ich positiv überrascht. Es schien mir, als ob die Plattform das bunte Social-Media-Feeling etwas besser hinbekäme als XING, wo ich mich bisher hauptsächlich getummelt hatte. Denn dort sind die Posts und auch die Reaktionen darauf meist sehr mau bis nicht vorhanden. LinkedIn wirkte im Vergleich deutlich attraktiver. Darum fing ich an, Unternehmen zu folgen (gähn!) und selbst gezielt Leute zu kontaktieren, die mir interessant erschienen. Nicht, um auf diesem Weg Aufträge zu generieren. Sondern weil ich mir davon neuen Input und neue Inspiration erhoffte.
Eine Weile habe ich mich von den bunten Bildchen, Filmchen und schlauen Sprüchen tatsächlich neppen lassen. Irgendwann stellte ich aber fest, dass es immer nur die üblichen Verdächtigen waren, die etwas posteten und kommentierten. Das dafür in 150.000 Varianten, die im Endeffekt alle gleich banal und bedeutungslos waren. Bei manchen Personen fragte ich mich, ob sie überhaupt noch einer richtigen Arbeit nachgingen. Diese permanente Selbstdarstellung konnte ihnen dafür kaum Zeit lassen. Oder beschäftigen die professionellen LinkedIn-User eine Armee von „Ghostpostern“, damit sie hin und wieder etwas Produktives zustande bringen?
Die angesprochene Belanglosigkeit galt für das Gros der Beiträge. Besonders perfide waren aber die „authentischen“, persönlichen Posts. Zuerst war ich be- und gerührt, dass jemand hier so offen über sein Privatleben schrieb. Und dann ging mir auf, wie armselig das eigentlich war. Denn entweder setzte der Betreffende diese intimen Details bewusst auf Business-Ebene ein, um möglichst viele Interaktionen zu bekommen. Oder er postete aus einem echten inneren Bedürfnis heraus. Was nichts anderes hieß, als dass er niemanden hatte, mit dem er sich darüber austauschen konnte. Ich weiß nicht, was schlimmer ist.
Mein Fazit nach diesem kurzen Intermezzo: LinkedOut! Ich bleibe pro forma Teil des Netzwerks, werde mich aber nicht weiter daran beteiligen. Da vergeude ich meine Zeit doch lieber auf Facebook …
Man muss nicht im selben Raum sitzen, um zusammenzuarbeiten. Corona-bedingt erkennen das immer mehr Unternehmen. Da ich nicht erst seit einem halben Jahr im Home-Office bin, sondern seit knapp zwei Jahrzehnten, ist mir das schon lange klar.
Bis zu diesem außergewöhnlichen Frühling konnten sich viele Agenturen nicht vorstellen, einen Freelancer zu buchen, der nicht vor Ort ist. Ein Briefing per Telefon, E-Mail oder Skype, Teams etc. – ein No-Go! Man muss sich doch bei Bedarf persönlich gegenübersitzen können, sonst funktioniert das nicht! Am liebsten hätten wir dich bei uns im Büro, wo du jederzeit greifbar bist!
Da half es nichts zu erzählen, dass der Großteil meiner Kunden nicht in Bayern sitzt, einige noch nicht einmal in Deutschland. Sie wollten partout nicht glauben, dass sich so etwas problemlos bewerkstelligen lässt. Ich bin gespannt, ob in diesen Agenturen inzwischen ein Denkprozess stattgefunden hat: Wenn unsere Mitarbeiter im Home-Office sind, spielt es keine Rolle, ob sie 5 oder 500 Kilometer weit weg wohnen. Und wenn das mit unseren Festangestellten klappt, warum dann nicht mit Freelancern …?
Es wäre schön, wenn diese Erkenntnis so langsam bei allen durchsickert – und zwar dauerhaft. Natürlich lassen sich nicht alle Tätigkeiten ins Home-Office auslagern. Sobald bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein müssen, die man zuhause nicht hat, geht es leider nicht. Aber wir Texter brauchen einfach nur einen Rechner, einen Internet-Anschluss – und vor allem unsere geheiligte Ruhe! Dann wird alles gut. Auch auf der anderen Seite des Erdballs.
Als Frau darf ich mich (vielleicht) outen, ohne gesteinigt zu werden: Ich hasse „geschlechtergerechte Sprache“. Ob Klammern, Schrägstrich, Binnen-I, Gendersternchen oder anderer Firlefanz – mir tut es in den Augen weh, wenn Texte damit verunstaltet werden.
So edel das Motiv sein mag, Frauen sichtbar zu machen: Wir brauchen das nicht. Es ist mittlerweile eine Selbstverständlichkeit, dass wir jeden Beruf ergreifen und jede Tätigkeit ausüben können. Fühle ich mich ausgeschlossen, wenn jemand „einen Texter“ sucht oder wenn es heißt, dass „gute Texter“ ihr Geld wert sind? Nein. Mich selbst bezeichne ich zwar als „Texterin“, da ich ja ganz offensichtlich eine Frau bin. Ich spreche auch von „Texterinnen“, wenn es um konkrete Personen weiblichen Geschlechts geht. In allen anderen Fällen verwende ich bevorzugt das generische Maskulinum.
Eine Beidnennung – wie zum Beispiel „Liebe Leserinnen und Leser“ oder „Liebe Bürgerinnen und Bürger“ – ist bei einmaligem Einsatz eine freundliche Geste. Zieht sich die vollständige Paarform aber durch einen gesamten Fließtext, killt sie ebenso wie die oben genannten Varianten den Lesefluss. Beim Gendersternchen entwickle ich sogar so eine Aversion, dass ich einen Text nicht zu Ende lesen kann. So eine Reaktion kenne ich sonst nur bei einer Häufung von Rechtschreibfehlern. Meine Meinung: Wenn jemand sich nicht die Mühe macht, seinen Text nach dem Schreiben noch einmal zu prüfen, dann kann dieser nicht lesenswert sein. Und wenn jemand in jedem zweiten Satz zwanghaft diverse Gendersternchen unterbringt, dann ist ihm der feministische Kniefall wichtiger als die Botschaft des Artikels.
Nein, liebe Kundinnen und Kunden, ich werde mich nicht querstellen, wenn ihr unbedingt geschlechtergerechte Sprache von mir wollt. Aber ich werde insgeheim darüber traurig sein, wenn ein schöner lesefreundlicher Text zu einem holperigen Flickenteppich mutiert ist.
So sieht (Stand 8. Juni 2020) ein Besuch in einem Pflegeheim aus: Nach Terminvereinbarung (nur wochentags von 10 bis 17 Uhr) kann man einen Bewohner für 45 Minuten besuchen. Der Besucher muss eine OP-Maske und einen Schutzkittel tragen. Das Treffen findet in einem geschlossenen Gemeinschaftsraum statt. Vor dem Betreten des Raumes erfolgen Händedesinfektion, Fiebermessen und Aufnahme der Kontaktdaten. Mit Tischen wird ein Abstand von gut 2 Metern zwischen Besucher und Bewohner geschaffen. Dazwischen ist eine Plexiglasscheibe angebracht. Berührungen sind weder möglich noch gestattet. Nach dem Besuch wird die Besuchszone desinfiziert.
Ich kann nicht beurteilen, ob diese Maßnahmen auch weniger strikt sein könnten, ohne die Bewohner zu gefährden. Was ich aber beurteilen kann: 1) Mit einem an Demenz erkrankten Menschen ist unter diesen Umständen keinerlei Kommunikation möglich. 2) Der Gesundheitszustand verschlechtert sich durch diese Isolation dramatisch.
Es geht hier nicht um einen abstrakten Fall, sondern um meinen an Demenz erkrankten Vater, der in einem Pflegeheim in Baden-Württemberg lebt. Der Name des Heims tut nichts zur Sache. Diese Regelungen gelten im Wesentlichen für alle Pflegeheime in Baden-Württemberg. Mindestens noch bis zum 15. Juni. Diese Regelung bedeutet bereits eine deutliche Lockerung. Für gut 2 Monate waren gar keine Besuche gestattet. Davon betroffen waren auch sämtliche externe Dienstleister (Friseure, Fußpflege, ehrenamtliche Helfer etc.). Auch der Besuch von Ärzten sollte nur in dringenden Notfällen erfolgen.
Ich hätte das Pflegeheim eigentlich nicht zusammen mit meinem Bruder besuchen dürfen, da nur zwei feste Besuchspersonen gestattet sind. Nicht an diesem einen Tag, sondern während der gesamten Dauer dieser Maßnahmen. Da Besuchsperson Nr. 1 bereits die Lebensgefährtin meines Vaters ist, hätten nach Anweisung der Landesregierung Baden-Württemberg nur entweder ich oder mein Bruder meinen Vater besuchen dürfen. Auf unsere dringenden Bitten hin hat das Heim uns eine Ausnahmegenehmigung erteilt. Da sich der Zustand meines Vaters in den letzten Wochen extrem verschlechtert hat, war diese Ausnahme wohl möglich. Bis auf akut notwendige Arztbesuche war mein Vater seit 3 Monaten nicht im Freien.
Um eines klarzustellen: Ich bin kein prinzipieller Gegner der Corona-Schutzmaßnahmen. Aber ich stelle mir die Frage, ob dieses Leben, das hier geschützt werden soll, noch ein lebenswertes ist.
PS: Normalerweise schreibe ich auf meinem Blog keine Artikel, die derart persönlich sind. Doch ich finde, dieses Thema geht alle etwas an.