Konzeption & Text. Sandra Cremer



Und wie gefällt’s dir in Berlin?

29. Februar 2024

Illustration von Berlin

Fast neun Monate sind seit meinem Umzug nach Berlin vergangen. Zeit für eine Zwischenbilanz. Auch wenn ich die Stadt vorher schon gut kannte, ist es doch etwas anderes, tatsächlich hier zu leben. Meine subjektiven und unvollständigen Erfahrungen und Erkenntnisse von A bis Z:

Arzt

Krank sein oder werden sollte man in Berlin besser nicht. Facharzttermine sind rar. Dass man mehrere Monate darauf warten muss, ist eher die Regel als die Ausnahme. Es sei denn, man ist Privatpatient, was ich glücklicherweise bin.

BVG

Sie ist bei weitem nicht so schlecht wie ihr Ruf. Ja, es gibt immer wieder scheinbar endlose Baustellen. Trotzdem kommt man immer überall hin. Weniger schön: das Betteln in den Zügen. Mittlerweile bin ich ein Meister im Durch-die-Leute-Schauen. Wer Blickkontakt riskiert, ist das nächste „Opfer“ (siehe auch Elend).

Kleiner Nachtrag: Heute und morgen wird gestreikt 😉

Clans

Mit Clans hatte ich bisher keine bewussten Berührungspunkte. Wobei mich doch bei dem ein oder anderen Geschäft der Verdacht beschlichen hat, dass es in erster Linie der Geldwäsche dient. Aber da ist vielleicht die Fantasie mit mir durchgegangen. Klar gibt es Viertel mit Clan-Kriminalität. Allerdings muss man da ja nicht unbedingt hin (siehe Gefahr).

Dreck

Was Dreck anbetrifft, muss man seine Schmerzgrenze nach oben verschieben. Wobei ich sagen muss: Das gilt inzwischen wohl für die meisten Großstädte. Auch München ist längst nicht mehr so sauber, wie es mal war. In der bayerischen Landeshauptstadt gibt es einen negativen Trend. In der Bundeshauptstadt war es früher noch schlimmer. Als es noch keine Hundekotbeutel gab, waren die Grünstreifen an den Straßenrändern so vermint, dass man keinen Schritt darauf setzen konnte.

Elend

Dass es in Berlin viel Armut und Elend gibt, wusste ich schon vorher. Aber wie schlimm es teilweise ist, hat mich doch erschreckt. Anfangs. Man kann nicht immer Mitleid haben. Und man kann nicht jedem, der es nötig hätte, Geld in die Hand drücken. Abgesehen davon ist es fraglich, ob das überhaupt sinnvoll ist. Also hilft nur Abstumpfen (siehe BVG).

Falafel

Falafel kann man drei Monate lang jeden Tag essen. Danach reicht aber einmal pro Woche. Sogar 14-tägige Pausen sind auszuhalten. Meine Empfehlung: Darauf achten, dass die Falafel frisch gemacht werden (keine Tiefkühlkost). Ein Riesenunterschied! Meine Lieblinge: Zaim Falafel und La Corniche.

Gewalt

Ich hatte in diesem Dreivierteljahr kein Erlebnis, das ich als gefährlich eingestuft hätte. Das kann man natürlich nicht verallgemeinern. Es gibt hier Gewalt, sonst stünde davon nichts in der Zeitung. Aber es ist bei weitem nicht so wild, wie Nichtberliner oft denken. Und selbst einen Spaziergang im Görlitzer Park kann man überleben.

Handel

In meinem Viertel kann man einkaufen bis zum Umfallen. Die Zahl der Lebensmittelläden ist so hoch, dass ich mich frage, wie sie sich parallel halten können. Ich muss allerdings anmerken, dass mein Viertel zwar das kleinste, aber das am dichtesten besiedelte Berlins ist. Unbedingt erwähnt gehören die Spätis: geilste Erfindung ever!

Ideal

„Ich fühl mich guuut … Ich steh auf Berlin.“ Das Berlin, das Ideal besungen hat, war noch ein anderes, weil vor dem Mauerfall. Ich mochte Berlin damals schon und mag es heute noch. Und die ganzen Berlins dazwischen haben mir auch gefallen – jedes auf seine Art. Berlin ist einfach meine Stadt!

Juhu!

Ich freue mich jeden Tag aufs Neue, hier zu sein! (siehe Ideal)

Kanalisation

Im Sommer muss man manchmal tapfer sein. Die Gerüche aus der Kanalisation sind, nun ja, gewöhnungsbedürftig. Einfach die Luft anhalten, an Blumenwiesen denken und durch!

Luft

(siehe Kanalisation)

Multikulti

An vielen Orten trifft man mehr Menschen aus anderen Ländern als gebürtige Berliner. Wo ich zum Bouldern gehe, hört man am meisten Englisch, dann Spanisch und dann erst Deutsch. In meinem Aikido-Training tummeln sich Leute aus Italien und Japan, aus Kirgisien, Litauen, Polen und Russland, aus Thailand und seit kurzem auch aus Uruguay. Den Rest hat es aus allen Teilen Deutschlands angeschwemmt – so wie mich. Okay, ein paar wenige „echte“ Berliner gibt es auch. Die restlichen Nationalitäten sind natürlich im Straßenbild ebenfalls vertreten. Wer es ganz genau wissen möchte, der schaue hier nach.

Nachtleben

(siehe Party)

Ostberlin

Auch wenn Berlin nicht mehr geteilt ist: Die Teilung der Stadt gibt es gefühlt immer noch. Den an den Westen angrenzenden ehemaligen Ostbezirken merkt man das nicht mehr so an. Aber selbst ich habe ganz klar vor meinem geistigen Auge, wo früher die Mauer verlief. Ich gehe jedoch davon aus, dass dieser Blick mit meiner Generation aussterben wird.

Party

Ich bin nicht mehr in dem Alter, wo ich jeden Tag Party machen muss. Aber wenn ich Lust habe, gibt es Möglichkeiten noch und nöcher. Vor allem, wenn man über den eigenen Stadtteilrand hinausschaut, kann man feiern, solange man durstig und lustig ist. Und so ziemlich jede Band, die in Deutschland spielt, kommt nach Berlin. Konzerttechnisch ist also einiges geboten. Das Gleiche gilt für Kulturveranstaltungen aller Art.

Querdenker

Hier demonstriert jeden Tag irgendjemand für irgendetwas. Am Wochenende sind es so viele verschiedene Gruppierungen, dass sie sich um die besten Plätze kloppen müssen.

Restaurants

Besonders in meinem Viertel (aber auch in vielen anderen) reiht sich Restaurant an Restaurant und es gibt nichts, was es nicht gibt. In Sachen Essen gehen ist Berlin unschlagbar. Es ist nicht mehr so billig wie vor 2+ Jahren. Aber wie auch? Schließlich ist überall so ziemlich alles teurer geworden.

Schnee

Die weißen Flocken sind hier eine Seltenheit. War aber immer schon so. Ich vermisse den Schnee nicht.

Tage

Im Winter sind die Tage deutlich kürzer als in Bayern. Aber dafür im Sommer deutlich länger. Ausgleichende Gerechtigkeit.

U-Bahn

Die braucht einen eigenen Punkt. Denn sie fährt direkt unter unserem Haus, was sich durch Brummen und Vibrieren bemerkbar macht. Aber: Ich liebe das. Es hat so etwas Beruhigendes, wenn man weiß, dass die Welt noch „funktioniert“.

Verkehr

Im Vergleich zu München sind in Berlin die Autofahrer freundlich und langsam. Aber es gibt Ausnahmen. Die langen breiten Straßen laden einfach zu nächtlichen Autorennen ein.

Wohnen

Berlin hat noch lange keine Münchner Preise, aber es geht in diese Richtung. Ich weiß nicht, ob in irgendeiner anderen deutschen Stadt die Mieten prozentual so stark gestiegen sind wie hier. Vor allem aber gibt es Massen von Bewerbern für jede halbwegs vernünftige Wohnung. Ich bin froh, dass wir eine schöne gefunden haben, die noch bezahlbar ist.

X-Berg

Macht immer noch Spaß, in Kreuzberg auszugehen. Hier finden sich auch Urgesteine wie das SO36, das ich persönlich per Crowdfunding vor dem Untergang bewahrt habe!

Yak

Sogar einen Nepalesen habe ich ganz in der Nähe (Yak und Yeti). Aber leider immer noch nicht ausprobiert, weil es noch so viele Alternativen gibt (siehe Restaurants).

Zahnarzt

Ich stehe vor der Zahnarztpraxis. Es kommt einer mit dem Fahrrad vorbei und meint zu mir: „Scheiß auf den Zahnarzt! Komm lass uns saufen gehen!“ Dit is Berlin.

 

Wer will mich?

9. Januar 2024

Traurig blickender Mops

Meinen Umzug nach Berlin haben alle schnell registriert und akzeptiert. Sagte ich alle? Na ja, nicht ganz. In den Finanzämtern mahlen die Mühlen etwas langsamer. Nicht nur in Berlin. Sondern auch in Bayern.

Das Finanzamt Miesbach weigert sich seit gut einem halben Jahr beharrlich, meine Adressänderung anzuerkennen. Trotz mehrfacher Briefe, E-Mails und Telefonate gehen alle Schreiben an meine alte Adresse. Ich habe die Hoffnung, dass die Beamten inzwischen ihren Abschiedsschmerz überwunden haben. In letzter Zeit kommt nichts mehr. Das kann aber auch daran liegen, dass der Nachsendeauftrag abgelaufen ist.

Das Finanzamt Berlin wiederum will mich partout nicht als neuen Steuerzahler haben. Alle Versuche, eine neue Steuernummer zu bekommen, sind kläglich gescheitert.
Hier hilft nichts anderes, als noch sturer zu sein als die Ämter. Das bin ich gewohnt. Als ich von Baden-Württemberg nach Bayern gezogen bin, hatte ich das Gezeter schon einmal. Wenn ich mich recht erinnere, hat es damals fast zwei Jahre gedauert, bis mich das System richtig eingeordnet hatte.

Nun bin ich ein geduldiger und verständiger Mensch. Aber leider brennt es mir jetzt ein bisschen unter den Nägeln. Denn ich brauche dringend eine Ansässigkeitsbescheinigung. Das Problem: Diese Bescheinigung muss mein zuständiges Finanzamt ausstellen, und auf dem Formular muss ich neben meiner Steuer-ID auch meine Steuernummer eintragen.

Zunächst rufe ich beim Berliner Finanzamt an und schildere den Sachverhalt. Eine nette Dame versichert mir, dass sie gerne einen Stempel auf mein Formular setzt und ich einfach meine alte Steuernummer eintragen soll. O-Ton: Das merkt doch keiner, dass das keine Berliner Steuernummer ist. Außerdem teilt sie mir mit, dass das Finanzamt Miesbach ihr noch keine Unterlagen geschickt hat und sie mir deshalb keine neue Steuernummer geben kann.

Also rufe ich beim Finanzamt Miesbach an, um ein bisschen Dampf zu machen. Dort erfahre ich, dass ich in Miesbach nicht mehr geführt werde – ein Fortschritt! Nur leider ist die bayerische Dame der Meinung, dass sie erst eine Steuernummer aus Berlin bekommen muss, bevor sie meine Unterlagen verschickt. Außerdem ist sie eher skeptisch, was die Angabe einer nicht mehr existenten Steuernummer angeht.

Da die Zeit drängt, verlasse ich mich auf die Aussage der Dame in Berlin. Doch dann komme ich ins Grübeln: In 5 Wochen ist Stichtag. Ich muss das Formular an das Berliner Finanzamt schicken, die das Formular an mich und ich das Formular an meine Bank. Drei Postwege – das kann nicht gut gehen! Kürzlich habe ich einen Brief bekommen, der gute 4 Wochen unterwegs war. Und ich glaube, der Schnitt liegt inzwischen bei 1 Woche.

Um einen der Postwege zu sparen, bringe ich den Brief also persönlich im Finanzamt vorbei. Am liebsten würde ich ihn direkt der zuständigen Dame geben (wer weiß, wie lange die Hauspost dauert?), aber man lässt mich nicht passieren.

Wie die Geschichte ausgeht? Ich stecke noch mittendrin. Meine Sachbearbeiterin ist krank und niemand kann mir Auskunft geben …

I’ll keep you posted!

 

Foto von charlesdeluvio auf Unsplash

Jetzt wird’s aber Zeit!

19. Dezember 2023

Treppenhaus mit Pfeilen nach obenDie eigene Seite ist das ewige Stiefkind. Wenn man die Muse hat, sich darum zu kümmern, ist die Auftragslage mau. Meinen guten Vorsatz, jeden Monat wenigstens einen Blogbeitrag zu schreiben, habe ich nicht eingehalten. Aber was soll das Heulen und Zähneklappern? Das nächste Jahr steht schon vor der Tür. Es ist also Zeit, die alten Vorsätze zu kicken und sich neue zu verpassen. Was also nehme ich mir vor für 2024? Gar nichts und ganz viel. Flexibel und spontan zu sein ist viel erstrebenswerter, als sich an strikte Pläne zu halten. Zumindest soweit es einen selbst betrifft.

In diesem Sinne: Euch allen wunderbare Weihnachten und ein prickelndes neues Jahr!

PS: Das Bild hat keinerlei Bezug zum Artikel. Es hat mir einfach nur gefallen. Besten Dank an Arno Senoner!

Spielen wir „Werbung raten“?

27. Oktober 2023

Autorin als kleines Mädchen

 


Wie ich eigentlich zur Werbung gekommen bin? Ich könnte jetzt die tollsten Geschichten erzählen … Aber hier kommt die profane Wahrheit: Schon als kleine Kinder haben mein Bruder und ich „Werbung raten“ gespielt. Das heißt, wir saßen gebannt vor dem Fernseher und guckten „Reklame“. Für jede richtig erratene Marke gab es einen Punkt. Natürlich nur, wenn man der Schnellere war. Da die Anzahl verschiedener Spots damals noch recht überschaubar war, erkannten wir sie in Bruchteilen von Sekunden. Es reichte die erste Einstellung oder der erste Ton. Zack, kam wie aus der Pistole geschossen die richtige Antwort. Heute würde sich das aufgrund des Überangebots auf allen Kanälen schon deutlich schwieriger gestalten. In Zeiten von Klementine, Frau Antje und Herrn Kaiser war das durchaus machbar. Wobei wir schon verdammt gut waren! By the way: Storytelling gab es da auch schon. Hat nur keiner so genannt.

Im Bild zu sehen ist die Texterin in spe (man beachte den Buchstaben-Pulli!).

Sexy wie Mallorca-Akne

16. August 2023

Überfüllter StrandEs lebe die Postkarte!

Postkarten, oder „Pokas“ wie ich sie zärtlich nenne, sind etwas Wunderbares. Heute haben sie leider Seltenheitswert. Bevor es Social Media und Smartphones gab (ich war da tatsächlich schon geboren!), bekam man sie von seinen Liebsten, die gerade Urlaub machten. Im Gegensatz zu einer Nachricht von WhatsApp und Co. waren sie nicht im Bruchteil einer Sekunde beim Empfänger. Meist dauerte es mehrere Tage oder gar Wochen, so dass sie oft später ankamen als der Absender. Manche verschwanden sogar für immer.

Wetter schön, Hotel gut …

Trotz der mangelnden Aktualität und der meist potthässlichen Gestaltung freute man sich über die papiernen Grüße. Inhaltlich gesehen waren sie zwar ähnlich gehaltvoll wie die heutigen digitalen Kurznachrichten (Wetter schön, Hotel gut, super Essen). Dennoch hatte man das Gefühl: Da hat jemand an mich gedacht und sich die Mühe gemacht, mir zu schreiben. Schließlich musste der Absender einige Schritte unternehmen: Laden ausfindig machen, Karte aussuchen, beschreiben, mit Briefmarke bekleben, Briefkasten suchen, einwerfen. Selbst wenn man den Prozess rationalisierte, war es doch ein nicht unerheblicher Aufwand (nix da Copy & Paste oder Gruppenchat!). Auf jeden Fall kann ein Foto mit Bildunterschrift nicht im Ansatz damit konkurrieren.

Kursivschrift auf Schockfarben

Noch weniger liebevoll sind Urlaubs-Posts auf Social-Media-Kanälen. Alle bekommen exakt das Gleiche zu sehen. Ob der Postende dabei an eine bestimmte Person gedacht hat? Wohl kaum. Hier geht es eher um ein ganz allgemeines „Schaut mal alle her: Ich bin im Urlaub und habe eine geile Zeit – und ihr nicht.“ Bei den klassischen mehrteiligen Foto-Motiven mit Kursivschrift auf Schockfarben, die überfüllte Strände und Betonhotelburgen zeigten, hielt sich der Neid dagegen in Grenzen. Die waren so sexy wie Mallorca-Akne.

Stift statt Finger

Ich gehe davon aus, dass das Gros der (vor Ort gekauften) Urlaubspostkarten heute nicht wesentlich schöner ist. Aber da ich keine mehr bekomme und keine mehr schreibe, kann ich das schwer beurteilen. Ob hässlich oder nicht: Es wäre doch nett, wenn wir statt des Fingers hin und wieder den Stift zücken würden. Aber nicht vergessen: Vor dem Urlaub noch die Postanschrift in Erfahrung bringen! Vielleicht habt ihr ja alle Adressen im Kopf oder zumindest digital gespeichert. Ich nicht. Und wenn man erst auf der Pool-Liege danach fragt, ist die Überraschung dahin.

PS: Prompt ploppen vor meinem inneren Auge die Urlaubsposts meiner Freunde und Bekannten auf. Nehmt mir meine Worte bitte nicht übel. Ich gönne euch natürlich eure geile Zeit!

Bild von teksomolika auf Freepik.com

 

 

Abenteuerspielplatz, Bergstiefel, Chemielabor …

18. Juli 2023
Schlafender FuchsMach mich nicht Schach

Wer zu den Glücklichen gehört, die selig jede Nacht durchschlafen, braucht nicht weiterzulesen. Für den ist dieser Artikel uninteressant. Als Kind und Jugendlicher konnte ich das auch: Hinlegen, wegpennen, beliebig lang schlafen und fit wieder aufstehen. Die Zeiten sind leider schon lange vorbei. Heute muss ich mir immer wieder neue Tricks ausdenken, um nachts nicht stundenlang wach zu liegen (hüpfende Schafe sind nicht so meins). Eine Weile habe ich es mit „Schachspielen“ versucht. Diese Idee stammt allerdings nicht von mir, sondern von meinem ehemaligen Aikido-Lehrer: Man stellt im Kopf die Figuren für ein Schachspiel auf und packt sie danach wieder weg. Das muss natürlich ganz ruhig und sorgsam (von mir aus auch achtsam) geschehen. Am besten malt man sich das Ganze sehr detailreich aus: wie die Schachfiguren aussehen, wie die Schachtel, in die man sie legt, usw. Diese Methode funktionierte einige Wochen oder sogar Monate erstaunlich gut. Aber dann hatte sie sich abgenutzt. Es musste also etwas Neues her …

Bräsige Berta

Ich wechselte zu Namen nach dem ABC, entweder weiblich oder männlich. Also Anne, Berta, Christine usw. Der Trick bestand darin, immer wieder neue Namen zu finden (was bei manchen Buchstaben schwierig ist). Schließlich geht es darum, den Kopf so zu beschäftigen, dass er nicht auf dumme Gedanken kommt. Auf der anderen Seite muss die Aufgabe halbwegs einfach sein, sonst wird man zu wach davon. Irgendwann wurde es aber langweilig. Die nächste Stufe war also das Ergänzen von Adjektiven: arme Anne, bräsige Berta, charmante Christine usw. Das ABC der Namen mit Adjektiven hatte auch nur eine begrenzte Haltbarkeit. Weitere Varianten waren Obst- oder Gemüsesorten, Sportarten, Stadt-Land-Fluss … Leider alles irgendwann fad.

Das fiese C

Meine jetzige Methode sind zusammengesetzte Substantive. Den Anfang macht immer der Abenteuerspielplatz, dann folgen möglichst immer wieder neue Wörter: zum Beispiel Bergstiefel, Chemielabor etc. oder Bällebad, Chitinpanzer. Auch hier gibt es wieder fiese Anfangsbuchstaben. Bereits beim C hakt es recht schnell, deshalb sind Wiederholungen erlaubt. Aber, wie sollte es auch anders sein: Es klappt nicht mehr so richtig, weil inzwischen selbst die häufigen Anfangsbuchstaben schon zu sehr verbraucht sind. Jetzt stehe (bzw. liege) ich dumm da – ein neuer Trick ist überfällig!

M wie Morpheus

Ich würde mich sehr freuen, liebe Leser, wenn ihr eure Einschlafideen mit mir teilt. Wenn sie für mich nichts sind, dann vielleicht für einen Leidensgenossen?!

Bitte keine „Stress-vermeiden-Tipps“. Woher Einschlafprobleme kommen, ist mir bekannt. Wenn ich Stress vermeiden könnte oder wollte, dann würde ich es tun. Also bitte etwas Kreativeres 😉

Bye-bye, Bayern – Bussi, Bärlin

26. April 2023

Hier und da habe ich es schon durchsickern lassen: Am 9. Juni breche ich meine bayerischen Zelte ab und ziehe nach Berlin. Keine Sorge: Ich vermeintliches Landei werde in der großen Stadt nicht überfordert oder verloren sein. Dass ich als gebürtige Münchnerin überhaupt auf dem Dorfe gelandet bin, ist allein dem Zufall geschuldet. Berlin ist für mich außerdem kein unbekanntes Pflaster, sondern meine zweite Heimat, seit ich Bussi-Bär lesen kann (Google hat mir eben verraten, dass es dieses Heftchen tatsächlich noch gibt).

BVG schlägt MVV

Was ich neben meinem Sohn, meinen Freunden und Bekannten (und dem TSV 1860) noch vermissen werde, ist der Blick auf die Berge. Zum Skifahren oder Wandern muss ich dort nicht hin. Aber zum Anschauen sind sie wirklich wunderschön – und jeden Tag anders! Was ich nicht vermissen werde, ist, für jede noch so kleine Besorgung ins Auto steigen zu müssen – und der Gnade des MVV bzw. der BRB ausgeliefert zu sein. Ein Berliner würde mir wahrscheinlich widersprechen, aber für mein subjektives Empfinden ist die BVG deutlich zuverlässiger. Außerdem kann man nicht nachts irgendwo stranden und nur per horrend teurem Taxi nachhause kommen.

Falafel ohne Ende

Der Verlust der bayerischen Küche ist für mich als Vegetarier leicht zu verkraften. Zumal es in Berlin auch diese gibt, ebenso wie die verschiedensten nach dem Reinheitsgebot gebrauten Biere. Augustiner und Tegernseer sind im Späti längst Standard und selbst weniger bekannte bayerische Landbiere sind dort zu finden. Ich muss mich also nicht mit den (zugegebenermaßen meist greisligen) Berliner Bieren trösten. Und um auf das kulinarische Angebot zurückzukommen: Für die schier unendliche Falafel-Vielfalt lasse ich gerne jeden Semmelknödel mit Schwammerln stehen. Sollte es mich doch einmal nach etwas anderem gelüsten, habe ich fußläufig zig Lokale verschiedenster Nationalitäten. Verhungern werde ich garantiert nicht.

Alles wie gehabt

Da meine Kunden mich nur äußerst selten „in echt“ sehen, müssen sie mich auch nicht vermissen. Kontaktart und -frequenz bleiben gleich. Für die meisten wird es gar keinen Unterschied machen, weil ich sie noch nie getroffen habe. Home-Office ist inzwischen ohnehin im Mainstream angekommen. Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, in denen ich das Zuhause-Arbeiten lieber verschwiegen habe, um nicht unprofessionell zu wirken. Dabei hatte ich nur ganz am Anfang meiner Selbständigkeit zusammen mit einer Freundin ein externes Büro (also vor langer langer Zeit). Aber immerhin tippe ich nicht am Küchentisch, sondern in einem extra dafür vorgesehenen Raum. Und das bleibt auch so.

Aber liebe Leser, ihr dürft mir trotzdem gutes Ankommen und viel Glück wünschen. Das kann man immer brauchen!

 

Ohne AI kein KIDO

10. Februar 2023

Ich habe ChatGPT nach einem guten Thema für einen Blog-Artikel gefragt. Nach einer Reihe sehr allgemeiner Vorschläge kam folgende Empfehlung: „the best topic […] depends on your interests and expertise“. Eine sehr weise Antwort. Ohne AI wäre ich da nie drauf gekommen! Um die Idee nicht nur zu kopieren, füge ich der AI noch ein KIDO hinzu.

Wie es der Zufall (oder der Mann) will

Zum Aikido bin ich gekommen wie die Jungfrau zum Kinde. Mein Mann hatte sich darüber informiert und sich zum Probetraining angemeldet. Irgendwann wurde mir klar: Ach, du Scheiße, der will ja, dass ich da mitkomme! Sehr widerwillig erklärte ich mich dazu bereit. Meine Berührungspunkte mit Kampfsport bzw. -kunst beschränkten sich zu diesem Zeitpunkt auf eine kurze Judo-Episode im frühen Kindesalter. Verbunden mit einer unangenehmen Erinnerung, eher einer dunklen Ahnung. Denn ich weiß gar nicht mehr, was damals vorgefallen ist, bzw. warum mir der Gedanke daran so ein Unbehagen bereitet.

Entschuldigung, mein Hirn ist voll

Wie dem auch sei, ich biss die Zähne zusammen und ging mit meinem Mann hin. Schon beim Seiza (Kniesitz) merkte ich, dass mein vom Joggen lädiertes Knie Zicken machte. Ich dachte gleich, dass das wohl nichts für mich ist. Aber dann ging es an die Techniken und ich war angefixt. Doch nach ca. einer Stunde Training musste ich aufhören. Nicht wegen meines Knies oder wegen mangelnder Fitness. Mein Hirn war voll!

Zärtlich oder zupackend

Dieses erste Training ist nun schon fast 7 Jahre her und ich bin immer noch mit großer Begeisterung dabei. Was mir am Aikido so gut gefällt? Zunächst einmal, dass es keinen Wettkampf gibt. Keine Sieger und keine Verlierer. Es sind nur zwei Menschen, die zusammen trainieren. Derjenige, der angreift, liegt nachher auf der Matte. Dann werden die Rollen getauscht. Weil die Partner wechseln, ist das Training nie gleich. Man stellt sich jedes Mal neu auf den anderen Menschen ein. Der eine mag es lieber sanfter, der andere lieber etwas härter. Beides hat seinen Reiz.

Mit oder ohne

Anfänger und Fortgeschrittene trainieren gemeinsam. Denn sie können beide voneinander lernen. Optisch unterscheiden kann man sie (zumindest bei uns) nur daran, ob sie einen Hakama (eine Art schwarzer Hosenrock) über dem weißen Anzug tragen oder nicht. Diesen darf man erst anziehen, wenn man ein gewisses Level erreicht hat – den ersten Kyu. Ich persönlich darf noch nicht, weil ich erst den zweiten habe. Zur Erklärung: Während bei den Kyus die Ordnungszahl absteigt, steigt sie bei den Danen wieder auf. Da wir in unserem Dojo keine verschiedenen Gürtelfarben haben (bzw. nur weiß und schwarz), sehen die Aikidokas bis zum ersten Kyu alle gleich aus. Wer noch keinen Hakama hat, genießt „Welpenschutz“. Hat man einen, darf der Partner auch etwas fester zupacken.

Nur keine Panik!

Aber wie wird man ein „Kampfhund“, wenn es keine Wettkämpfe gibt? Dafür gibt es die sogenannten Graduierungen. Auch wenn wir selbst oft von Prüfungen sprechen, so sind es doch keine. Der Trainer meldet einen erst an, wenn er überzeugt ist, dass man es schafft. So groß also das Herzklopfen an diesen besonderen Tagen auch sein mag: Es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn man nicht seinen Stempel in den Pass bekommt. Natürlich gibt es Ausnahmen, aber die sind so selten, dass man sie vernachlässigen kann.

Zu alt gibt’s nicht

Gut gefällt mir auch, dass die Truppe bunt gemischt ist. Männlein trainiert mit Weiblein, Groß mit Klein, Alt mit Jung. Und mit alt meine ich nicht 35+, so wie in manchen anderen Sportarten. Aikido kann man praktisch sein ganzes Leben lang betreiben. Obwohl es sowohl körperlich als auch mental anspruchsvoll ist.

Ab auf die Matte!

Ich freue mich also auf viele weitere Jahre Aikido. Wenn ich dranbleibe, werde ich wohl irgendwann ein Hakama-Träger sein. Wovor mir allerdings ein bisschen graut. Denn das Zusammenlegen dieser Beinkleider ist kompliziert und zeitaufwendig. Da hüpfe ich doch gerne noch ein bisschen in meinem Anzug durch das Dojo. Ich muss mir ja auch gut überlegen, ob ich schon bereit dafür bin, dass mich jemand mit Schmackes auf die Matte pfeffert.

PS: Das Ai von AIKIDO bedeutet übrigens Harmonie, das Ki Lebensenergie und das Do Lebensweg.

PPS: Kleiner Insider-Joke für Aikidokas: Meine beiden Katzen heißen Shomen und Uchi.

Bitte legen Sie nicht auf!

10. Januar 2023

Foto von Kurt Liebhaeuser auf Unsplash

Schon vor Jahrzehnten hat man sie verflucht und heute ist sie noch unbeliebter: die Warteschleife. Waren die Methoden in den Anfängen eher plump, so werden sie immer perfider. Mit einer Fülle von Pseudo-Informationen wird die Ausdauer des Anrufers auf die Probe gestellt. Zum Beispiel mit der penetrant wiederholten Ansage, dass man auch auf der Website nach Antworten suchen bzw. sich mit dem Chatbot unterhalten könne (Haha, der war gut!) oder „Wussten Sie schon, dass …“ (Nein, interessiert mich auch nicht!) oder ähnliches Blafasel. So lässt sich schon locker eine Minute füllen, bevor man überhaupt weiß, an welcher Position man sich befindet bzw. wie lange es noch dauert, bis man dran kommt.

Riskantes Spiel

Bei der Auskunft „Ihre Wartezeit beträgt voraussichtlich über zehn Minuten“ geben die meisten bereits auf. Man kann aber auch pokern. Es könnte sich ja um eine weitere Hürde handeln, mit der weniger motivierte Anrufer ausgesiebt werden sollen. Aber der Einsatz ist dann doch zu hoch. Schließlich besteht die realistische Gefahr, dass man nach einer halben Stunde mit einem fröhlichen „Versuchen Sie es zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal“ aus der Leitung geworfen wird.

Qualen mit Zahlen

Eine alte und bewährte Hinhaltetaktik ist es, den Anrufer zur Interaktion zu nötigen. Zum Beispiel: Wenn Sie Anliegen X haben, dann drücken Sie die Ziffer Y (bevorzugt mit vielen Untermenüs). Problem ist nur, dass sich die individuelle Anfrage oft nicht den genannten Kategorien zuordnen lässt. Damit hat man schon verloren, weil man sich nun per Trial and Error in mehreren Anrufen zum richtigen Ansprechpartner vortelefonieren muss. Gemein ist auch, wenn die Angabe einer Auftrags-, Bestell-, Kunden- oder sonstigen Nummer gewünscht wird (die natürlich aus mindestens 10 Ziffern besteht).

Bitte sprechen Sie jetzt

Allerdings hat man beim Tippen wenigstens gute Erfolgschancen. Bei der Spracheingabe ist die Fehlerquote nämlich um einiges höher. Jeder dürfte schon einmal verzweifelt „JAAA!“ oder „NEIIIIN!“ gebrüllt haben, wenn er zum x-ten Mal wegen „Leider habe ich Sie nicht verstanden“ in der Leitung festhängt. Wird man aber darum gebeten, ein Stichwort zu nennen, sollte man sein Vorhaben lieber direkt ad acta legen …

Spiel mir das Lied vom Tod

Der reinste Psychoterror hingegen ist die zermürbende Warteschleifenmusik. Die langsam aussterbende Old-School-Version ist elektronisches Klingelton-Gedudel (sehr beliebt: Für Elise). Manchmal wird man auch mit einer Melodie empfangen, die so deprimierend ist, dass man sich am liebsten sofort aus dem Fenster stürzen möchte. Dann gibt es die Variante „peppig“ mit einem etwas angestaubten Hit oder einem eigens für das Unternehmen komponierten Song. Hat man gezwungenermaßen öfters Kontakt, summt man (sehr zum eigenen Entsetzen) in der telefonfreien Zeit das Liedchen vor sich hin. Was aber ganz sicher nicht dabei ist, ist eine Version, bei der man sich denkt: Hey, das gefällt mir! Könnte ich mir stundenlang anhören!

Nerven wie Drahtseile

Hat man den richtigen Ansprechpartner schließlich erreicht und wurde das Anliegen vielleicht nicht gelöst, aber doch wenigstens ausführlich besprochen, geht es noch weiter. Schließlich reicht es nicht, dass man „aus Gründen der Servicequalität“ zuvor einer Aufzeichnung des Gesprächs zugestimmt hat (≙ 1 oder JAAAA!). Man wird außerdem gebeten, die vorangegangene Konversation zu bewerten. Wer dazu noch in der Leitung bleibt, hat wirklich Nerven wie Drahtseile.

 

Hej, du!

27. September 2022

Früher gab’s das nur bei Ikea. Inzwischen (leider) immer öfter: Ich werde als Kunde geduzt. Muss das sein? Prinzipiell bin ich ein Freund des Dus. Gerne biete ich es an oder nehme es an, wenn ein direkter Kontakt zur jeweiligen Person besteht und mir diese sympathisch ist – sowohl im privaten als auch im beruflichen Kontext. Von einem Unternehmen erwarte ich mir aber respektvolle Distanz.

Wert und Wertschätzung

Wenn ich ein Produkt kaufe oder eine Dienstleistung in Anspruch nehme, investiere ich Geld und schenke Vertrauen. Ich möchte, dass dies auch honoriert wird: mit einem wertschätzenden Umgang. Wenn ich als Kunde ungefragt geduzt werde, erzeugt das eine Pseudo-Nähe, die ich als übergriffig empfinde. Dieses Gefühl beeinflusst mein Bild des Unternehmens: Es bekommt einen billigen Touch und ich fühle mich nicht ernst genommen.

Okay und No-Go

Um noch einmal mein Beispiel aufzugreifen: Bei Ikea ist das nicht so schlimm (wenn auch nervig, vor allem am Telefon), weil es zum Image passt. Bei einem Finanzdienstleister ist es unangemessen. Ebenso bei einem Unternehmen, das ein hochpreisiges Angebot hat. Der Versuch, sich mit einem Du einen jüngeren Anstrich zu geben, ist meist krampfhaft und manchmal sogar zum Fremdschämen. So hat unter anderem XING wegen des Wechsels von Sie auf Du Minuspunkte kassiert – zumindest von mir.

Wenn schon, denn schon

Entscheidet sich ein Unternehmen dennoch für ein Du, sollte es diese Kundenansprache durchgängig verwenden. Mischt es Du und Sie, ist das Corporate Wording widersprüchlich und somit auch die Corporate Identity. Selbst eine unterschiedliche Ansprache nach Alter sehe ich kritisch. Gibt es Kunden erster und zweiter Klasse? Wie alt muss man sein, um sich ein Sie zu verdienen? Was tun, wenn die Zielgruppe sich in einer Übergangsphase vom Jugendlichen zum jungen Erwachsenen befindet? Ebenso fraglich ist die Unterscheidung nach Medium: Wenn ich Kunden in der Kommunikation grundsätzlich sieze, sollte ich sie in den sozialen Medien nicht auf einmal duzen. Das wirkt befremdlich.

Old School oder New Trash?

Vielleicht gehöre ich mit meiner ablehnenden Haltung zu einer aussterbenden Spezies. Der Trend, sich immer mehr dem angelsächsischen Sprachraum anzupassen, ist unaufhaltsam. Aber auch im Englischen wird in der Ansprache unterschieden. Es gibt zwar kein Sie, doch die respektvolle Distanz wird durch höfliche Ausdrucksformen geschaffen. Das müssen wir Deutschen vielleicht erst noch lernen. Ich für meinen Teil hoffe, dass das Sie nicht komplett verschwindet.